David Adam ‚Karl Marx & der Staat‘

Ersterscheining in englischer Sprache: Marxist Humanist Initiative (MHI).

In Vorbereitung einer deutschen Übersetzung des vollständigen Textes von Adam geben wir hier schon alle Marx- und Engels-Zitate in deutscher Sprache. Wer hilft uns mit einer Übersetzung in deutscher Sprache? Mail: FredoCorvo@gmail.com.

Der bürgerliche Staat

Die »Polizei« und das »Gericht« und die »Administration« sind nicht Deputierte der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die in ihnen und durch sie ihr eignes allgemeines Interesse verwaltet, sondern Abgeordnete des Staats, um den Staat gegen die bürgerliche Gesellschaft zu verwalten.“ 1

Was den einzelnen Bürokraten betrifft, so wird der Staatszweck zu seinem Privatzweck, zu einem Jagen nach höheren Posten, zu einem Machen von Karriere.“ 2

Der Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft wird zu einem politischen Unterschied.“ 3

Die Trennung des politischen Staats von der bürgerlichen Gesellschaft erscheint als die Trennung der Deputierten von ihren Mandataren. Die Gesellschaft ordnet bloß die Elemente zu ihrem politischen Dasein von sich ab.

Der Widerspruch erscheint doppelt:

1. formell. Die Abgeordneten der bürgerlichen Gesellschaft sind eine Gesellschaft, die nicht durch die Form der »Instruktion«, des Auftrages mit ihren Kommittenten in Verbindung stehn. Sie sind formell kommittiert, aber sobald sie wirklich sind, sind sie nicht mehr Kommittierte. Sie sollen Abgeordnete sein und sind es nicht.

2. materiell. In bezug auf die Interessen. Darüber hernach. Hier findet das Umgekehrte statt. Sie sind als Repräsentanten der allgemeinen Angelegenheiten kommittiert, aber sie repräsentieren wirklich besondre Angelegenheiten.“ 4

Das Streben der bürgerlichen Gesellschaft, sich in die politische Gesellschaft zu verwandeln oder die politische Gesellschaft zur wirklichen Gesellschaft zu machen, zeigt sich als das Streben der möglichst allgemeinen Teilnahme an der gesetzgebenden Gewalt. (…)

Die Bildung zur gesetzgebenden Gewalt erheischt, daß alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als einzelne sich betrachten, sie stehn wirklich als einzeln gegenüber. Die Bestimmung, »Mitglieder des Staats zu sein«, ist ihre »abstrakte Bestimmung«, eine Bestimmung, die in ihrer lebendigen Wirklichkeit nicht verwirklicht ist.

Entweder findet Trennung des politischen Staats und der bürgerlichen Gesellschaft statt, dann können nicht Alle einzeln an der gesetzgebenden Gewalt teilnehmen. Der politische Staat ist eine von der bürgerlichen Gesellschaft getrennte Existenz. Die bürgerliche Gesellschaft würde einerseits sich selbst aufgeben, wenn alle Gesetzgeber wären, andrerseits kann der ihr gegenüberstehende politische Staat sie nur in einer Form ertragen, die seinem Maßstabe angemessen ist.“ 5

Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d.h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt.“ 6

Die alte bürgerliche Gesellschaft hatte unmittelbar einen politischen Charakter, d.h., die Elemente des bürgerlichen Lebens, wie z.B. der Besitz oder die Familie oder die Art und Weise der Arbeit, waren in der Form der Grundherrlichkeit, des Standes und der Korporation zu Elementen des Staatslebens erhoben.“ 7

(…) macht denn auch der praktische Kampf dieser beständig wirklich den gemeinschaftlichen und illusorischen gemeinschaftlichen Interessen entgegentretenden Sonderinteressen die praktische Dazwischenkunft und Zügelung durch das illusorische „Allgemein“-Interesse als Staat nötig.“ 8

Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine »forces propres« |»eigene Kräfte«| als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht.“ 9

Bei den Proletariern dagegen ist ihre eigne Lebensbedingung, die Arbeit, und damit sämtliche Existenzbedingungen der heutigen Gesellschaft, für sie zu etwas Zufälligem geworden, worüber die einzelnen Proletarier keine Kontrolle haben. (…) müssen die Proletarier, um persönlich zur Geltung zu kommen, ihre eigne bisherige Existenzbedingung, die zugleich die der ganzen bisherigen Gesellschaft ist, die Arbeit, aufheben. Sie befinden sich daher auch im direkten Gegensatz zu der Form, in der die Individuen der Gesellschaft sich bisher einen Gesamtausdruck gaben, zum Staat, und müssen den Staat stürzen, um ihre Persönlichkeit durchzusetzen.“ 10

(…) der Staat die Form ist, in welcher die Individuen einer herrschenden Klasse ihre gemeinsamen Interessen geltend machen“ 11

Die Bourgeoisie ist schon, weil sie eine Klasse, nicht mehr ein Stand ist, dazu gezwungen, sich national, nicht mehr lokal zu organisieren und ihrem Durchschnittsinteresse eine allgemeine Form zu geben. Durch die Emanzipation des Privateigentums vom Gemeinwesen ist der Staat zu einer besonderen Existenz neben und außer der bürgerlichen Gesellschaft geworden; er ist aber weiter Nichts als die Form der Organisation, welche sich die Bourgeois sowohl nach Außen als nach innen hin zur gegenseitigen Garantie ihres Eigentums und ihrer Interessen notwendig geben.“ 12

Die proletarische Diktatur

[Jede Revolution löst die alte Gesellschaft auf; insofern ist sie sozial. Jede Revolution stürzt die alte Gewalt; insofern ist sie politisch.(…); zugefügt von der Redaktion]

Die Revolution überhaupt – der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse – ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er der Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg.“ 13

Die arbeitende Klasse wird im Laufe der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Ausdruck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist.(…)

Man sage nicht, daß die gesellschaftliche Bewegung die politische ausschließt. Es gibt keine politische Bewegung, die nicht gleichzeitig auch eine gesellschaftliche wäre.

Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein.“ 14

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“ 15


„[Bakunin schreibt:] ‘Wenn Staat ist, dann ist unvermeidlich Herrschaft, folglich auch ; Herrschaft ohne Sklaverei, verborgen oder maskiert, undenkbar – deswegen sind wir Feinde des .
‚Was heißt das, das Proletariat, ?‘

[Marx antwortet:]

D.h., daß das Proletariat, statt im einzelnen gegen die ökonomisch privilegierten Klassen zu kämpfen, Stärke und Organisation genug gewonnen hat, um allgemeine Zwangsmittel im Kampf gegen sie anzuwenden; es kann aber nur ökonomische Mittel anwenden, die seinen eignen Charakter als salariat |Lohnarbeiter|, daher als Klasse aufheben; mit seinem völligen Sieg ist daher auch seine Herrschaft zu Ende, weil sein Klassencharakter [verschwunden].“ 16

[Bakunin schreibt:] ‘Die Deutschen zählen ungefähr 40 Millionen. Werden z.B. alle 40 Millionen Glieder der Regierung sein?“

[Marx antwortet:]

Certainly! |Sicherlich!| Da die Sache mit der Selbstregierung der Gemeine anfängt.“ 17

(…) das Proletariat (…) muß als Regierung Maßregeln ergreifen (…)“ 18

„‘Dies Dilemma in der Theorie der Marxisten löst sich einfach. Unter Volksregierung verstehn sie“ (d.h. Bak.) ‚die Regierung des Volkes vermittelst einer geringen Zahl von Vorstehern, auserwählt (gewählt) durch das Volk.‘ “ 19

Wenn sich die Arbeiter in ihrem politischen Kampf gegen den bürgerlichen Staat vereinigen, nur um Konzessionen zu erreichen, dann schließen sie Kompromisse, und das steht im Widerspruch zu den ewigen Prinzipien! (…) Wenn der politische Kampf der Arbeiterklasse gewaltsame Formen annimmt, wenn die Arbeiter an Stelle der Diktatur der Bourgeoisie ihre revolutionäre Diktatur setzen, dann begehen sie das schreckliche Verbrechen der Prinzipienverletzung, weil sie um der Befriedigung ihrer kläglichen profanen Tagesbedürfnisse willen, um der Brechung des Widerstandes der Bourgeoisie willen, dem Staate eine revolutionäre und vorübergehende Form geben, statt die Waffen niederzulegen und den Staat abzuschaffen.“ 20

Daraus, daß Blanqui jede Revolution als den Handstreich einer kleinen revolutionären Minderzahl auffaßt, folgt von selbst die Notwendigkeit der Diktatur nach dem Gelingen: der Diktatur, wohlverstanden, nicht der ganzen revolutionären Klasse, des Proletariats, sondern der kleinen Zahl derer, die den Handstreich gemacht haben und die selbst schon im voraus wieder unter der Diktatur eines oder einiger wenigen organisiert sind.
Man sieht, Blanqui ist ein Revolutionär der vorigen Generation. “ 21

Die Stürmung des Himmels

(…) eine durch und durch ausdehnungsfähige politische Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend gewesen waren. Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte.“ 22

Die Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Rücknahme des eignen gesellschaftlichen Lebens des Volkes durch das Volk und für das Volk. Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andre zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen.“ 23

(…) die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft als ihre eigne lebendige Macht, an Stelle der Gewalt, die sich die Gesellschaft unterordnet und sie unterdrückt (…) “ 24

Beseitigung der Täuschung, daß Verwaltung und politische Leitung Geheimnisse wären, transzendente Funktionen, die nur den Händen einer ausgebildeten Kaste (…) anvertraut werden könnten (…)“ 25

das Volk nach der ersten Erhebung nicht die Waffen niedergelegt und seine Macht in die Hände der republikanischen Marktschreier der herrschenden Klassen übergeben hat, daß es durch die Errichtung der Kommune die wirkliche Leitung seiner Revolution in seine eignen Hände genommen und gleichzeitig das Mittel gefunden hat, sie im Fall des Erfolgs in den Händen des Volkes selbst zu halten, indem es die Staatsmaschinerie, die Regierungsmaschine der herrschenden Klassen, durch seine eigne Regierungsmaschine ersetzt.“ 26

Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihren eignen Zweck in Bewegung setzen. Das politische Werkzeug ihrer Versklavung kann nicht als politisches Werkzeug ihrer Befreiung dienen.“ 27

In einer kurzen |340| Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, heißt es ausdrücklich, daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein, und daß das stehende Heer auf dem Lande durch eine Volksmiliz mit äußerst kurzer Dienstzeit ersetzt werden sollte. Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein. Die wenigen, aber wichtigen Funktionen, welche dann noch für eine Zentralregierung übrigblieben, sollten nicht, wie dies absichtlich gefälscht worden, abgeschafft, sondern an kommunale, d.h. streng verantwortliche Beamte übertragen werden. Die Einheit der Nation sollte nicht gebrochen, sondern im Gegenteil organisiert werden durch die Kommunalverfassung; sie sollte eine Wirklichkeit werden durch die Vernichtung jener Staatsmacht, welche sich für die Verkörperung dieser Einheit ausgab, aber unabhängig und überlegen sein wollte gegenüber der Nation, an deren Körper sie doch nur ein Schmarotzerauswuchs war. Während es galt, die bloß unterdrückenden Organe der alten Regierungsmacht abzuschneiden, sollten ihre berechtigten Funktionen einer Gewalt, die über der Gesellschaft zu stehn beanspruchte, entrissen und den verantwortlichen Dienern der Gesellschaft zurückgegeben werden. Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen. Und es ist bekannt genug, daß Gesellschaften ebensogut wie einzelne, in wirklichen Geschäftssachen gewöhnlich den rechten Mann zu finden und, falls sie sich einmal täuschen, dies bald wieder gutzumachen wissen. Andrerseits aber konnte nichts dem Geist der Kommune fremder sein, als das allgemeine Stimmrecht durch hierarchische Investitur zu ersetzen.“ 28

Die Trennung des politischen Staats von der bürgerlichen Gesellschaft erscheint als die Trennung der Deputierten von ihren Mandataren“.29

Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit.“ 30

Der moderne bürgerliche Staat ist in zwei wichtigen Organen verkörpert, dem Parlament und der Regierung.“ 31

Nun, wenn die Franzosen keinen anderen Ausweg finden als entweder eine Regierung der persönlichen Macht oder eine parlamentarische Regierung, konnen sie es gleich aufgeben.“ 32

Hier haben wir den alten Verfassungsunsinn. Die Voraussetzung für eine „freie Regierung“ ist nicht die Trennung, sondern die Einheit der Gewalten. Die Regierungsmaschinerie kann gar nicht einfach genug sein. Es ist immer die Kunst der Spitzbuben, sie kompliziert und geheimnisvoll zu machen.“ 33

(…) ist der Staat zu einer besonderen Existenz neben und außer der bürgerlichen Gesellschaft geworden“ 34

Die Kommune mußte gleich von vornherein anerkennen, daß die Arbeiterklasse, einmal zur Herrschaft gekommen, nicht fortwirtschaften könne mit der alten Staatsmaschine; daß diese Arbeiterklasse, um nicht ihrer eignen, erst eben eroberten Herrschaft wieder verlustig zu gehn, einerseits alle die alte, bisher gegen sie selbst ausgenutzte Unterdrückungsmaschinerie beseitigen, andrerseits aber sich sichern müsse gegen ihre eignen Abgeordneten und Beamten, indem sie diese, ohne alle Ausnahme, für jederzeit absetzbar erklärte. Worin bestand die charakteristische Eigenschaft des bisherigen Staats? Die Gesellschaft hatte zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen, ursprünglich durch einfache Arbeitsteilung, sich eigne Organe geschaffen. Aber diese Organe, deren Spitze die Staatsgewalt, hatten sich mit der Zeit, im Dienst ihrer eignen Sonderinteressen, aus Dienern der Gesellschaft zu Herren über dieselbe verwandelt. Wie dies z.B. nicht bloß in der erblichen Monarchie, sondern ebensogut in der demokratischen Republik zu sehn ist. Nirgends bilden die „Politiker“ eine abgesondertere und mächtigere Abteilung der Nation als grade in Nordamerika. Hier wird jede der beiden großen Parteien, denen die Herrschaft abwechselnd zufällt, selbst wieder regiert von Leuten, die aus der Politik ein Geschäft machen, die auf Sitze in den gesetzgebenden Versammlungen des Bundes wie der Einzelstaaten spekulieren oder die von der Agitation für ihre Partei leben und nach deren Sieg durch Stellen belohnt werden. Es ist bekannt, wie die Amerikaner seit 30 Jahren versuchen, dies unerträglich gewordne Joch abzuschütteln, und wie sie trotz alledem immer tiefer in diesen Sumpf der Korruption hineinsinken. Gerade in Amerika können wir am besten sehn, wie diese Verselbständigung der Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft, zu deren bloßem Werkzeug sie ursprünglich bestimmt war, vor sich geht. Hier existiert keine Dynastie, kein Adel, kein stehendes Heer, außer den paar Mann zur Bewachung der Indianer, keine Bürokratie mit fester Anstellung oder Pensionsberechtigung. Und dennoch haben wir hier zwei große Banden von politischen Spekulanten, die abwechselnd die Staatsmacht in Besitz nehmen und mit den korruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zwecken ausbeuten – und die Nation ist ohnmächtig gegen diese angeblich in ihrem Dienst stehenden, in Wirklichkeit aber sie beherrschenden und plündernden zwei großen Kartelle von Politikern.
Gegen diese in allen bisherigen Staaten unumgängliche Verwandlung des Staats und der Staatsorgane aus Dienern der Gesellschaft in Herren der Gesellschaft wandte die Kommune zwei unfehlbare Mittel an. Erstens besetzte sie alle Stellen, verwaltende, richtende, lehrende, durch Wahl nach allgemeinem Stimmrecht der Beteiligten, und zwar auf jederzeitigen Widerruf durch dieselben Beteiligten. Und zweitens zahlte sie für alle Dienste, hohe wie niedrige, nur den Lohn, den andre Arbeiter empfingen.“ 35

Der Rednerkampf auf der Tribüne ruft den Kampf der Preßbengel hervor, der debattierende Klub im Parlament ergänzt sich notwendig durch debattierende Klubs in den Salons und in den Kneipen, die Repräsentanten, die beständig an die Volksmeinung appellieren, berechtigen die Volksmeinung, in Petitionen ihre wirkliche Meinung zu sagen. Das parlamentarische Regime überläßt alles der Entscheidung der Majoritäten, wie sollen die großen Majoritäten jenseits des Parlaments nicht entscheiden wollen? “ 36

Er gebärdet sich – sehr wichtig mit den uns abgeborgten Phrasen um sich werfend – ganz als künftiger Arbeiterdiktator. Die Frage zwischen Arbeitslohn und Kapital löst er in ‚spielend leichter Weise‘ (wörtlich). Nämlich die Arbeiter müssen für allgemeines Wahlrecht agitieren und dann Leute wie ihn ‚mit der blanken Waffe der Wissenschaft‘ in die Abgeordnetenkammer schicken. “ 37

An die Stelle des existierenden Klassenkampfes tritt eine Zeitungsschreiberphrase – ‚die soziale Frage‘, deren ‚Lösung‘ man ‚anbahnt‘. Statt aus dem revolutionären Umwandlungsprozesse der Gesellschaft ‚entsteht‘ die ‚sozialistische Organisation der Gesamtarbeit‘ aus der ‚Staatshilfe, die der Staat Produktivgenossenschaften gibt, die er, nicht der Arbeiter, ‚ins Leben ruft‘. Es ist dies würdig der Einbildung Lassalles, daß man mit Staatsanlehn ebensogut eine neue Gesellschaft bauen kann wie eine neue Eisenbahn!“ 38

Die nationale Zentralisation der Produktionsmittel wird die natürliche Basis einer Gesellschaft werden, die sich aus Assoziationen freier und gleichgestellter, nach einem gemeinsamen und rationellen Plan bewußt tätiger Produzenten zusammensetzt.“ 39

Schluss

Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“40

Karl Marx Zur Judenfrage MEW Bd. 1, S. 354/355.

Karl Marx Zur Judenfrage MEW Bd. 1, S. 367/368.

Karl Marx Zur Judenfrage MEW Bd. 1, S. 370.

15 Karl Marx Kritik des Gothaer Programms MEW Bd. 19, S. 28.

18 Karl Marx [Konspekt von Bakunins Buch „Staatlichkeit und Anarchie“] MEW Bd. 18, S. 632/633. Wir reproduzieren hier den ganzen Abschnitt wegen dessen Relevanz für 1. die Beziehungen zwischen dem Proletariat und anderen Klassen nach der Revolution, und 2. die Agrarfrage:
„Das meint, solange die andren Klassen, speziell die kapitalistische noch existiert, solange das Proletariat mit ihr kämpft (denn mit seiner Regierungsmacht sind seine Feinde und ist die alte Organisation der Gesellschaft noch nicht verschwunden), muß es gewaltsame Mittel anwenden, daher Regierungsmittel; ist es selbst noch Klasse, und sind die ökonomischen Bedingungen, worauf der Klassenkampf beruht und die Existenz der Klassen, noch nicht verschwunden und müssen gewaltsam aus dem Weg geräumt oder umgewandelt werden, ihr Umwandlungsprozeß gewaltsam beschleunigt werden.
[Bakunin: ‚Z.B. die #:#@#5#A#B#L#O#=#A#:#0#O #G#5#@#=#L, das gemeine Bauernvolk, der Bauernpöbel, der sich bekanntermaßen des Wohlwollens der Marxisten [nicht erfreut], und der, befindend sich auf der untersten Stufe der Kultur, wird wahrscheinlich regiert werden durch das städtische und Fabrikproletariat.“]
D.h., wo der Bauer massenweise als Privateigentümer existiert, wo er sogar eine mehr oder minder beträchtliche Majorität bildet, wie in allen Staaten des westeuropäischen Kontinents, wo er nicht verschwunden und durch Agrikultur-Taglöhner ersetzt ist, wie in England, treten folgende Fälle ein: entweder er verhindert, macht scheitern jede Arbeiterrevolution, wie er das bisher in Frankreich getan hat; oder das Proletariat (denn der besitzende Bauer gehört nicht zum Proletariat, und da, wo er selbst seiner Lage |633| nach dazu gehört, glaubt er, nicht dazu zu gehören) muß als Regierung Maßregeln ergreifen, wodurch der Bauer seine Lage unmittelbar verbessert findet, die ihn also für die Revolution gewinnen; Maßregeln, die aber im Keim den Übergang aus dem Privateigentum am Boden in Kollektiveigentum erleichtern, so daß der Bauer von selbst ökonomisch dazu kommt; es darf aber nicht den Bauer vor den Kopf stoßen, indem es z.B. die Abschaffung des Erbrechts proklamiert oder die Abschaffung seines Eigentums; letztres nur möglich, wo der kapitalistische Pächter die Bauern verdrängt hat und der wirkliche Landbebauer ebensogut Proletarier, Lohnarbeiter ist wie der städtische Arbeiter, also genau mit ihm dieselben Interessen unmittelbar hat, nicht mittelbar; noch weniger darf das Parzelleneigentum dadurch gekräftigt werden, daß die Parzelle vergrößert wird, einfach durch Annexation der größern Güter an die Bauern, wie im Bakuninschen Revolutionsfeldzug.“

20  Karl Marx Der politische Indifferentismus MEW Bd. 18, S. 299/300.

32 Brief von Engels an Paula Lafargue von 3 juni 1888 MEW Bd. 37, S. 66.

36 Karl Marx/Friedrich Engels Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte MEW Bd. 8, S.154.

37 Brief von Marx an Engels vom 9. April 1863 in MEW Bd. 30, S. 340.

38 Karl Marx Kritik des Gothaer Programms MEW Bd. 19, S. 26.

40 Karl Marx/Friedrich Engels Manifest der Kommunistischen Partei MEW Bd. 4, S. 472.

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