„Vorwort der Herausgeber“ von GIK, Versetzt die ganze Staatsmaschinerie ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt!

»Die Gesellschaft, die die Produktion auf der Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten neu organisiert, versetzt die ganze Staatsmaschinerie dahin, wohin sie gehören wird: ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt.«1 »An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht abgeschafft, er stirbt ab.«2
Wenn etwas von Friedrich Engels zitiert wird, dann seine berühmte Aussage zum Absterben des Staates. Diesen Gedanken lieben alle radikalen Linken. Selbst Stalin fand ihn gut. 1952, sechs Monate vor seinem Tod, schrieb er: »Der Staat wird absterben, aber die Gesellschaft wird bleiben. Folglich wird das allgemeine Volkseigentum dann nicht mehr vom Staat übernommen werden, der absterben wird, sondern von der Gesellschaft selbst, vertreten durch ihr zentrales leitendes Wirtschaftsorgan..«3
Für diesen berühmten Übergang zum Kommunismus sei »notwendig, nicht eine mystische „rationelle Organisation“ der Produktivkräfte, sondern das ununterbrochene Wachstum der gesamten gesellschaftlichen Produktion bei vorwiegender Steigerung der Produktion von Produktionsmitteln.«4 Ein, wie auch Lenin schon lehrte, »langwieriger und komplizierter Übergang von der kapitalistischen Gesellschaft (und zwar desto langwieriger, je weniger sie entwickelt ist) (…), um auch nur zu einer der Vorstufen der kommunistischen Gesellschaft zu gelangen.«5 Denn, so ergänzte Trotzki in seinem Rückblick auf die angeblich verratene Revolution: »Die materielle Voraussetzung des Kommunismus ist eine so hohe Entwicklung der wirtschaftlichen Potenz des Menschen, dass die produktive Arbeit aufhört, eine Last und Mühsal zu bedeuten, und der Antreiberei nicht mehr bedarf; die Verteilung der ständig im Überfluss vorhandenen Konsumgüter bedarf dann (…) keiner anderen Kontrolle mehr als der durch die Erziehung, die Gewohnheit und die öffentliche Meinung.«6
Gemäß der herausragenden Führer der russischen Revolution wäre es daher naiv, die Abschaffung von Lohnarbeit und Staat im Anschluss an die soziale Revolution zu erwarten. Lohnarbeit und Staat sterben ab, aber erst am fernen Horizont der Zukunft, denn »“die erste Phase der kommunistischen Gesellschaft“, mit Marx zu reden, beginnt auf dem Niveau, bei dem der höchstentwickelte Kapitalismus angelangt ist.«7 Aber – »sogar in Amerika, also auf dem Fundament des am weitesten fortgeschrittenen Kapitalismus, würde der sozialistische Staat nicht mit einem Schlage jedem so viel gewähren können, wie er braucht, und sich daher gezwungen sehen, einem jeden zu größtmöglicher Produktion zu veranlassen. Das Amt des Antreibers fällt unter diesen Umständen natürlich dem Staat zu, der seinerseits nicht umhin kann, mit diesen oder jenen Änderungen und Milderungen auf die vom Kapitalismus ausgebildeten Methoden der Vergütung der Arbeitsleistung zurückzugreifen. In eben diesem Sinne schrieb Marx 1875: „Aber diese Missstände sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft.“«8
In der Übergangsperiode sollen dementsprechend über die Lohnarbeit »die bürgerlichen Verteilungsnormen (…), indem sie das Wachstum der materiellen Macht beschleunigen, sozialistischen Zielen dienen. Doch nur zu guter Letzt. Unmittelbar hat nämlich der Staat von Anfang an einen doppelten Charakter: Er ist sozialistisch, soweit er das vergesellschaftete Eigentum an den Produktionsmitteln schützt, und er ist bürgerlich, soweit die Verteilung der Konsumgüter mit Hilfe des Geldes, des kapitalistischen Wertmessers, erfolgt, mit allen daraus resultierenden Folgen. Diese widersprüchliche Charakteristik mag Dogmatiker und Scholastiker in Schrecken versetzen: uns bleibt nur übrig, ihnen unser Beileid auszusprechen.«9
Mit diesem »kommunistischen« Programm geben sich die Anhänger der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und ihre radikalen linken Kritiker die Hand. Auch in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung geht es schließlich laut ihrer Fürsprecher zu guter Letzt um den Wohlstand für alle. Nichts habe die Welt in den vergangenen zwei Jahrhunderten so verändert wie der Siegeszug des Kapitalismus. Elend sei zwar der Begleiter des Fortschritts und Ungleichheit gehöre zum Kapitalismus, aber auf lange Sicht bringe der Kapitalismus allen mehr Wohlstand.
Das ist der berühmte langwierige und komplizierte Übergang zum Land in dem Milch und Honig fließen, wenn die »Avantgarde der Arbeiterklasse« im »Interesse der Arbeiterklasse« über die Köpfe der Arbeiterklasse hinweg ihr »kommunistisches« Programm umsetzt. Dieser höhere Wert, »Interessen der Arbeiterklasse«, enthält in seiner Abstraktion von den ihm untergeordneten Bedürfnissen der Individuen bereits das Potenzial für die Brutalität gegenüber den Menschen, von denen er in ihrem Namen absieht. Gesteigert wird diese fürchterliche Abstraktion noch in ihrer Rücksichtslosigkeit und Brutalität gegenüber den einzelnen Menschen, wenn die Durchsetzung der »Interessen der Arbeiterklasse« zugleich zu einer historischen Mission erklärt wird, also zur Abstraktion von den konkreten Interessen der Individuen über Generationen. Dann lässt sich auch im Sozialismus ein »Reichtum« produzieren, für den die Arbeitsbedingungen und der Lohn ein Kostenfaktor sind. Dann müssen auch in der sogenannten Übergangsphase zum Kommunismus unter dem Wertmaßstab des Geldes die Funktionalität und Qualität der Gebrauchsgegenstände sowie die Lebensbedingungen der Arbeiter vom Zweck zum Mittel degradiert werden. Dann lässt sich auch in der »ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft« die Produktivität der Arbeit über die Verausgabung der Arbeiter im Interesse der Arbeiterklasse über Jahrzehnte auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung steigern. Dann lohnen sich beim Aufbau der »kommunistischen Gesellschaft« – ähnlich wie bei den zynischen Befürwortern der kapitalistischen Verhältnisse – die Opfer von Generationen immer wieder für die kommenden Generationen.
»Nicht die Sowjetadministratoren haben das Geheimnis des Akkordes entdeckt; Marx hielt dieses System, bei dem man sich ohne sichtbaren äußeren Zwang zu Tode schindet, für die „der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Form“. Die Arbeiter brachten für diese Neuerung keine Sympathie auf, standen ihr vielmehr feindlich gegenüber; es wäre unsinnig, von ihnen ein anderes Verhalten zu erwarten. (…) Auf den ersten Blick mag (…) die Rückkehr der Sowjetregierung zum Akkord als ein Rückschritt zu kapitalistischen Verhältnissen erscheinen. Doch gilt hier zu wiederholen, (…) es handelt sich nicht um einen Verzicht auf den Sozialismus, sondern lediglich um die Liquidierung einiger grober Illusionen. Die Form des Arbeitslohns ist nur den realen Möglichkeiten des Landes besser angepasst worden. „Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung.“«10
In der Tat, das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung. Die »Avantgarde« der Arbeiterklasse liebt die von Marx erwähnte »höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft«, weil sie die sogenannte »erste Phase der kommunistischen Gesellschaft«, in der sie über die Durchsetzung der Arbeitszeitrechnung mit den Massen ökonomisch gleichgestellt ist, hasst. Mit Kommunismus im Sinne der Abschaffung der Lohnarbeit haben die kommunistischen Parteiprogramme nichts zu schaffen. Entsprechend erwies sich daher auch »die Macht der demokratischen Sowjets (…) als hinderlich, ja, als unerträglich, als es darum ging, die für Verteidigung, Industrie, Technik und Wissenschaft unentbehrlichen privilegierten Gruppen zu versorgen.«11
»Wenn der Staat nicht abstirbt, sondern immer despotischer wird, wenn die Delegierten der Arbeiterklasse sich bürokratisieren und die Bürokratie sich über die erneuerte Gesellschaft aufschwingt, so ist das nicht die Folge irgendwelcher zweitrangiger Ursachen wie psychologischer Überbleibsel der Vergangenheit usw., sondern Produkt der eiserenen Notwendigkeit, eine privilegierte Minderheit auszusondern und auszuhalten, solange wirkliche Gleichheit noch nicht möglich ist.«12
Die Gruppe Internationaler Kommunisten hat die Lohnabhängigen eindringlich davor gewarnt, sich von den politischen Führern einer selbsternannten Avantgarde die ökonomische Gleichheit abkaufen zu lassen. Sie hat in ihren Artikeln vielmehr dazu ermuntert durch die Betriebsorganisationen und Räte die Produktion selbst in die Hände zu nehmen, um mit der Durchsetzung der individuellen Arbeitszeit als Maßstab für den Anteil am Produkt der gesellschaftlichen Arbeit die Lohnarbeit abzuschaffen und darüber zugleich die Grundlage zu legen, um an die Stelle der Regierung über Personen die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen treten zu lassen.
Noten
1 Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, MEW 21, S.168
2 Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW 19, S. 224
3 J. Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, in Stalin Werke, Bd. 15, S. 238. Die Hervorhebungen wurden dem Zitat hinzugefügt.
4 J. Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Verlag Das Neue Wort 1952, S. 66.
5 W. I. Lenin, Die NÖP und die Aufgaben der Ausschüsse für pol.-kult. Aufklärung, in: Werle Bd. 33, S. 43. Die Hervorhebung wurde dem Zitat hinzugefügt.
6 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 735
7 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 750
8 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 745. Die Hervorhebung wurde dem Zitat hinzugefügt.
9 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 746
10 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 773
11 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 753
12 L. Trotzki, Verratene Revolution, Schriften 1.2, S. 747
Inhalt von GIK, Versetzt die ganze Staatsmaschinerie ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt!
- Vorwort des Herausgebers (siehe oben)
- Trotzki und der Rätekommunismus
- Im Land der großen Lüge
- Sowjetische Bourgeoisie Staatskapitalismus und Kommunismus
- Partei und Arbeiterklasse
- Die kommunistische Gesellschaft
- Anarcho-Syndikalismus und der Rätekommunismus
- Abschaffung der Lohnarbeit!
- Kommunismus und geistige Freiheit
- Literatur und Quellen
[…] Vorwort des Herausgebers (siehe Trotzki als Ideologe des Staatskapitalismus) […]
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