Streiks in Georgien

Arbeiterproteste in Borjomi

In den letzten Tagen spricht die russische Presse von einer Streik-Epidemie in Georgien, einem Land im Kaukasus, in dem die Proteste der Arbeiterklasse seit Jahrzehnten vom Nationalismus übertönt werden. Was ist los und was ist der Grund für die Streiks in Georgien?

Die Streiks in Georgien begannen am 28. April in der östlichen Stadt Rustavi, früher ein wichtiges industrielles Zentrum des Landes, jetzt ein Bezirk im Niedergang. Die Beschäftigten der Düngemittelfabrik Rustavi Azot, der größten Chemiefabrik des Landes, legten den größten Teil des Werks still und forderten eine Lohnerhöhung von 50 %, während sie die Luftdestillationsanlage in Betrieb hielten, um die Sauerstoffversorgung der Krankenhäuser sicherzustellen. Die Angestellten erhielten Anfang Mai eine kleine Lohnerhöhung, eine Seite fühlte sich zufrieden und gründete eine neue Gewerkschaft, während die andere immer noch kämpft.

In der Zwischenzeit streiken die Zusteller von Glovo und anderen Zustellunternehmen in Tiflis seit Anfang des Jahres. Sie arbeiten 12 Stunden am Tag für 50 Euro pro Woche unter erschöpfenden und unsicheren Bedingungen. Als ob das nicht genug wäre, wurde das Bonussystem abgeschafft:

Sie nahmen uns die Bonusse weg, die wir erhielten, und damit den Grund, warum es Sinn machte, zu arbeiten. Sie sagten uns, wir würden Sklaven sein, erzählte einer der Demonstranten einem Korrespondenten von Kavkaz Uzel. Sie sagten uns, dass es keine weiteren Bonusse geben würde. Wertschätzt unsere Arbeit, kürzt nicht unser Einkommen, sagte ein anderer Sprecher. […] Die Demonstranten sagten, sie trauen dem Unternehmen nicht mehr. Es wird keinen Kompromiss von unserer Seite geben und wir werden nicht zur Arbeit gehen, bis es eine Lösung gibt

Sie traten am 16. Mai in den Streik, und das Unternehmen reagierte mit der fristlosen Entlassung einer Gruppe von Arbeitern. Es wird erwartet, dass sie auch in den kommenden Wochen weiter streiken werden.

Abfüll- und Vertriebsmitarbeiter schaffen es, Arbeiter aus anderen Unternehmen zusammenzubringen

Der Höhepunkt stand noch bevor. Am 18. Mai streikten die Mitarbeiter von zwei Betrieben des Wasserabfüllers Borjomi und legten die Produktion still. Sie forderten nicht nur eine Lohnerhöhung, um die galoppierende Inflation auszugleichen, sondern auch ein Ende der grausamen Arbeitsbedingungen. Die Arbeiter haben keinen Urlaub oder Erholung, tatsächlich gibt es Angestellte, die seit 6 oder 7 Jahren in den Fabriken arbeiten, ohne einen einzigen freien Tag zu haben.

Das Beispiel der Borjomi-Arbeiter wirkte sich bald auf die Arbeiter anderer Verteiler, wie Nabeghlavi, aus. Zuerst streikten die Fahrer und Verteiler von Nabeghlavi in Tiflis für bessere Bedingungen und Löhne, und dann griff der Streik auf die Arbeiter in den Werken in Kutaisi und Chokhataur über. Die Forderungen der Arbeiter dieses zweiten Abfüllbetriebs spiegeln die allgemeine Situation des Kaufkraftverlustes, der niedrigen Löhne und der Inflation gut wider:

In ihren Forderungen behaupten die Arbeiter, dass im letzten Jahr aufgrund der Inflation im Land das monatliche Gehalt im Unternehmen um 200-250 Lari (ca. 48 – 60 Euro/usd) gesunken ist. Das Durchschnittsgehalt in Georgien lag 2020 bei 1.227 Lari (ca. 300 Euro). Außerdem ist das Unternehmen unterbesetzt, die Arbeiter müssen Überstunden machen, aber die Geschäftsleitung zahlt für diese Arbeit Mindestlöhne. In der Tat steigt die Inflation in Georgien und der Lebensstandard sinkt. Laut Gruzstat lag das durchschnittliche Einkommen pro Person im Jahr 2020 bei 321 GEL pro Monat, 14 GEL weniger als 2019.

Streiks in Georgien finden nicht nur in Abfüllanlagen statt. Parallel zu Borjomi und Nabeghlavi streiken die Arbeiter in vier Mehlfabriken des türkischen Unternehmens Guria Express wegen nicht gezahlter Löhne. Vertraglich wurden den Angestellten knapp 200 Euro im Monat gezahlt, in Wirklichkeit hat das Unternehmen ihnen aber 70 Euro weniger gezahlt und droht nun damit, Streikbrecher einzusetzen, um sie zu ersetzen.

Und immer wieder kommt es zu Ausbrüchen. Die letzten Arbeiter, die in Georgien gestreikt haben, waren die angestellten Maxim-Taxifahrer in der Stadt Kutaisi Anfang dieser Woche. Sie fordern höhere Löhne von der Firma, da sie mit einer Wirtschaft konfrontiert sind, die an ihrer mageren Kaufkraft nagt.

Die „Epidemie“ heißt Klassenkampf

Der Hintergrund der Streiks in Georgien ist nicht gerade förderlich für die Kämpfe unabhängiger Arbeiter. Georgien ist ein umkämpftes Stück des imperialistischen Kampfes. Das zeigt sich tagtäglich in einem ganzen Spektrum, das von der Grenzziehung auf Wetterkarten bis zu Straßenschildern reicht. Der politische Apparat der herrschenden Klassen befindet sich in einer fast permanenten Krise. Und das nationale Kapital auch: Die georgische Wirtschaft, typisch für ein halbkoloniales Land, suhlt sich in einer Inflation, die die ohnehin schon mageren Löhne der Arbeiter weiter drückt.

Aber diese eher widrigen Bedingungen haben die Arbeiter nicht abgeschreckt, die sich erhoben haben, um ihre Bedürfnisse – die mit denen der gesamten Bevölkerung übereinstimmen – inmitten eines Kaufkraftverlustes zu verteidigen, selbst angesichts ihrer wahrscheinlichen Entlassung und einer Polizei, die bereit ist, die Horden von Streikbrechern zu schützen, die von den Bossen eingeschleust wurden.

Communia, 28-5-2021

Übersetzung von Strikes in Georgia (Quellen sich dort findlich)

Streiks in Georgien

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