
In 1931 erstveröffentlicht von der GIK (Holland) als Schlussartikel der Serie „Der Unterschied in den Auffassungen der IWW und der Rätebewegung in Deutschland“
Zum Schluss wollen wir noch darauf hinweisen, dass die IWW die Struktur der neuen Gesellschaft in der Hülle der alten aufbauen will, während die A.A.U. solch kühne Pläne nicht in ihrem Programm hat. Dies ist eine der Grundprinzipien der IWW, soviel wie ihr Glaubensbekenntnis; es ist die kurze kräftige Formulierung nach der sie die Arbeiter für den Kommunismus sammelt; es ist der zentrale Programmpunks, der in jeder Zeitung abgedruckt wird, und den mann in allen Artikeln und Reden wiederfindet. Die IWW sieht in der Bildung von Industrie-Organisationen auf allen Gebieten, die nicht zu umgehenden Vorbedingung für eine Durchführung des Kommunismus. So glaubt die IWW zwei Fliegen in einer Klappe zu schlagen. Durch die Vereinigung der Arbeiter in Industrie-Organisationen sind sie dem Industrie-Kapital gewachsen und sie bauen zugleich damit die Organe, die die Produktion fortsetzen nach der Eroberung der ökonomischen Macht.
Eigentlich war es ziemlich Überflüssig von der IWW diesen Punkt in ihr Programm aufzunehmen. Es ist nun einmal so, dass jede Organisation sich anmasst berufen zu sein, die Produktion nach der Überwindung des Kapitalismus in die Hand nehmen zu müssen. Jede Organisation im Klassenkampf denkt, dass sie „die Struktur der neuen Gesellschaft im Schosse der alten“ aufbaut. Die Tatsache, dass die verschiedenen Organisation eine verschiedene Struktur haben, drückt dem auch aus, dass sie alle eine verschiedene Auffassung von der Durchführung des Kommunismus haben. Die Struktur einer Organisation für den praktischen Klassenkampf und ihre Auffassung über den Kommunismus steht in direkter Beziehung zu einander. Es ist dies eine so enge Beziehung, dass man aus der Struktur einer Organisation ihre Auffassungen über den Kommunismus ableiten kann. In Europa tritt diese Erscheinung in der Gewerkschaftsbewegung (Gildensozialismus und Betriebsdemokratie) und auch in den politischen Parteien (die radikale Sozialdemokratie vom Typ Moskau und die Reformisten der II. Internationale) sehr deutlich zu Tage. Die föderative Struktur der syndikalistischen Gewerkschaften stimmt auch wieder überein mit einer Auffassung über den Kommunismus, die ihm einen ausgeprägt föderalistischen Charakter gibt. Und darum war es wirklich überflüssig diesen Punkt besonders im Programm der IWW aufzunehmen. ALLE sogenannten sozialistischen oder kommunistischen Organisationen sind der Ansicht, dass sie die Struktur der neuen Gesellschaft im Rahmen der alten aufbauen. Die Moskau-Kommunisten z.B. gedenken das zu tun, durch die Schaffung einer Partei mit eiserner Parteidisziplin und der „Eroberung“ der Gewerkschaften. Die Partei wird dann im Kommunismus zum Kern des Staatsapparates, während die Gewerkschaften als Vermittler auftreten müssen zwischen den Arbeitern und dem Staat. (Die Gewerkschaften sollen kollektive Arbeitsverträge mit den Führern der Staatsbetriebe abschliessen). Das ist ihre Auffassung vom Bauen der Struktur einer neuen Gesellschaft in der Hülle der alten.
Wenn also die IWW diese Formulierung in ihr Programm aufgenommen hat, dann wird dies an sich keinen Unterschied mit der Rätebewegung ausmachen. Es kommt nur darauf an, was die IWW darunter versteht. Aber gerade diese nähere Erklärung bildet einen direkten Gegensatz zu den Auffassungen der Rätebewegung. Eine Organisation mit den Auffassungen der IWW in Europa, würde hier mit aller Schärfe bekämpft werden, weil diese Auffassungen in scharfen Gegensatz zu der revolutionären Entwicklung in Europa steht.
Die IWW hat wohl die soziale Revolution auf ihrem Programm, aber sie macht diese abhängig von von der organisatorischen Macht der IWW. Sie übersetzt den bekannten Satz von Marx, dass die neue Gesellschaft im Schoss der alten geboren wird, in dem Sinne, dass die Arbeiterklasse im Laufe der Zeit sich in der Organisation der IWW den Apparat aufbaut, womit sie die Produktion fortsetzen kann! „Nur wenn das Proletariat eine Form entwickelt hat (gemeint wird ein organisatorischer Apparat – Gr.I.C.), die die Interessen des Menschen beherzigen kann, dann wird die soziale Revolution eine Tatsache der Geschichte werden.“(The IWW what it is … S. 29). Solange die IWW noch nicht genügend Industrien organisiert hat, kann von einer sozialen Revolution keine Rede sein. „Wenn die organisierte Macht des Proletariats grösser wird als die organisierte Macht der andere Klasse, dann wird die soziale Revolution kommen“. (25 Years… S. 12).
Die Organisation, die diese organisierte Macht zu Stande bringen soll, die alle Arbeiter, welche Arbeit sie auch verrichten, umfasst, dass soll die „one big Union“ (eine grosse Union), die IWW sein. Sie baut ihre Organisation so auf, dass diese, ihrer Meinung nach, die Produktion ohne Weiteres von den Unternehmern übernehmen kann.
Die Organisation ist zu diesem Zweck in 6 Departemente zusammengefasst (z.B. die Departemente für Landwirtschaft, Transport, Öffentliche Betriebe u.s.w.) in denen die dazu gehörenden Industrie-Organisationen zusammengefasst sind. Je mehr Industrie die IWW zu organisieren weiss, desto vollständiger ist die in den Departementen zusammengefasst.
Wenn schliesslich die Mehrheit der Arbeiter in diesem Sinne verbunden ist, dann steht dem organischen Funktionieren der Produktion nur noch das Gewinninteresse der Unternehmer und Kapitalisten im Wege. Darum ist auf dieser Stufe von organisatorischer Entwicklung eine Revolution unvermeidlich, denn „sowohl in der Theorie als in der Praxis beginnt und endigt die IWW mit der Idee, dass, wenn die Arbeiter der Welt die Industrie der Welt beherrschen, sie diese auch besitzen und kontrollieren müssen“. (The IWW in theory and practise, S.5).
Die IWW ist darum ein Gegner des bewaffneten Aufstandes im Klassenkampf. Sie ist davon überzeugt, in militärischen Hinsicht niemals dem Kapital gewachsen zu sein, sie überlässt darum die Gewalt der herrschenden Klasse. Aber niemals schreckt sie vor den Maschinengewehren und Gasbomben der Bourgeoisie zurück, sie nimmt sie, als die nun einmal unvermeidlichen „Kriegskosten“ hin. Ein unerschütterlicher Idealismus gibt den Wobblies die Kraft um mit Ruhe den Mörderbanden des amerikanischen Kapitals entgegenzutreten. Der Sieg der Arbeiterklasse ist nicht mit der Erfolg durchgeführte bewaffnete Aufstand, sondern dieser Sieg, die soziale Revolution, fällt als eine reife Frucht in die Hände der Arbeiterklasse, wenn die Arbeiter überall in Industrieorganisationen zusammengefasst sind. Darum sieht die IWW das Wachsen der sozialen Revolution in dem wachsen ihres organisatorischen Apparats. Der Lohnkampf ist dabei der Hebebaum des Kommunismus. Der Lohnkampf soll den Mehrwert fortwährend weiter angreifen, so das dieser “auf null” gebracht ist, während zugleich der Kampf um die Kontrolle der Produktion den Kommunismus Schritt für Schritt näher bringt. “Wenn wir organisiert sind, werden wir, die Arbeiterklasse, die Macht haben. Mit dieser Macht werden wir zurücknehmen, was uns gestohlen ist. Wir werden stets mehr Lohn von unseren Unternehmern fordern. Wir nehmen ihnen Macht weg und gewinnen diese Macht für uns. Wir werden fortwährend besser diszipliniert, und bekommen stets mehr Selbstvertrauen”. (The revolutionary IWW, S. 11)
“Die industrielle Macht ist die unwiderstehliche Kraft, die die IWW auf den Kampfplan bringen wird. Wenn die Macht der Arbeit, die in jeder Industrie und in allen Industrien notwendig ist, kontrolliert wird durch eine Organisation, die alle Arbeiter, welche Arbeit sie auch verrichten, umfasst, wird es nicht nur möglich sondern sogar sicher sein, dass diese Kontrolle angewandt wird in der Richtung zur Erlangung eines höheren Lebensstandards, als Meilensteinen auf dem Wege zur industriellen Freiheit”. (The IWW, what it is, S. 37)
In Wirklichkeit ist “das Bauen der Struktur der neuen Gesellschaft in der Hülle des alten” nach der Auffassung der IWW ein revolutionärer Prozess. Wir wachsen so langsam in den Kommunismus hinein. Wir höhlen langsam den fetten Käse des Mehrwerts von innen aus, so dass die Hülle, später als überflüssiges Ding, durch niemand begehrt, weggeworfen wird.
In der gleichmässigen Entwicklung zum Kommunismus zeigt die IWW also eine wunderbare Übereinstimmung mit den Auffassungen der reformistischen Gewerkschaftsbewegung in Europa. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin dass die Gewerkschaftsbewegung diesen Zustand glaubt erreichen zu können durch Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit (Kollektive Arbeitsverträge, während die IWW sich dessen bewusst ist, dass der Wachstumsprozess sich unwiderruflich gegen das Kapital vollziehen muss. (Eine IWW-Organisation in Montane wurde als Organisation aus der IWW ausgeschlossen, weil sie einen Kontrakt mit den Unternehmern abgeschlossen hatte. Siehe: The IWW in theory and practise, S. 78).
Es liegt auf der Hand, dass die Rätebewegung diese Auffassung vom “Bauen der Struktur der neuen Gesellschaft in der Hülle der alten” nicht teilen kann. Nach unserer Erfahrung ist das Entstehen einer Revolution nicht gebunden an “die organisierte Macht” des Proletariats. Die Revolution klopft an die Tür der Geschichte wenn die Illusion von der Demokratie und dem Verbessern der Lebensbedingungen innerhalb des Kapitalismus gebrochen ist, und der anhaltende Druck auf die Massen so gewaltig geworden ist, dass nicht die geringste Hoffnung auf einen Ausweg über bleibt. Dann entladen die physischen Spannungen in Selbst-Aktivität, ohne erst an das Hauptquartier der IWW in Chicago oder auch in Berlin zu fragen: Seit ihr bereit mit euren Industrie-Organisationen?
Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass sich die Massen erst in der Revolution organisieren, aber nicht nach den Prinzipien der Industrie-Organisation. Und darum kann die Rätebewegung die “Preamble” (Prinzipienerklärung) der IWW nicht anerkennen. Nicht wegen dem, was darin steht, sondern, wegen der näheren Erklärung wie sie in den Schriften der IWW niedergelegt ist.
Die Rätebewegung und der Kommunismus
Wie steht nun die Rätebewegung der Durchführung des Kommunismus gegenüber? Ist aus der Struktur der Rätebewegung auch ihre Auffassung über den Kommunismus abzuleiten? Das ist sicher der Fall. Wohl baut sie nicht die neue Gesellschaft im Schosse der alten auf, wohl aber baut sie ihren Apparat in Wirklichkeit erst in der Revolution, aber doch werden ihre Auffassungen durch ihre Struktur bestimmt, weil wir der Meinung sind, dass das Betriebsleben unter der Verwaltung der Betriebsorganisation fortgesetzt wird.
Es ist eigentlich nicht ganz richtig von den Auffassungen über den Kommunismus in der Rätebewegung zu sprechen. Ihre Auffassungen gehen nicht über die Parole hinaus: “Nimm die Produktionskräfte durch die Betriebsorganisationen in eigene Hände”. Sie spricht wohl von der Aufhebung der Lohnarbeit; aber sie sagt nicht, wie das geschehen soll, sie sagt nicht, an welchen Bedingungen das gebunden ist. Mit anderen Worten: sie hat keine Vorstellung von den Bewegungsgesetzen des kommunistischen Betriebslebens. Die französischen Genossen gehen scheinbar ein Schritt weiter, indem sie die Aufhebung der Lohnarbeit verlangen durch die Abschaffung des Marktes und des Geldes, während das Betriebsleben sich “ohne Arbeitszwang” vollziehen soll. Doch dies ist nur scheinbar ein Schritt weiter weil nur angegeben wird, wie es nicht sein soll, – ohne Markt, ohne Geld und kein Arbeitszwang. Aber damit können wir sehr wenig beginnen, weil wir wissen müssen, wie es wohl sein muss. In dieser Frage schweigen die Räteorganisationen in allen Sprachen, wodurch nicht mehr gesagt wird, als dass man in Wirklichkeit keine Vorstellung von der konkreten Aufgabe der sozialen Revolution hat.
Dies ist natürlich eine unhaltbare Position für eine Bewegung, die die Durchführung des Kommunismus auf ihre Fahne geschrieben hat. Die Rätebewegung fordert die Arbeiter auf das Lohnsystem zu vernichten, aber eine Vorstellung von den Bedingungen, die daran verbunden sind, hat sie nicht. Ein Teil der Rätebewegung ist sich dieses mangels sehr gut bewusst, während ein anderer Teil der Meinung ist dass sich dies von selbst finden wird. Hier ist das Wort von Wagner am richtigen Platz: “Die AAU bewegt sich, aber sie weiss nicht wohin”. Sie weiss nicht wohin, weil sich tatsächlich immer “die Dinge finden”, nun ist damit nicht immer gesagt, dass der gefundene Weg zum Kommunismus führt. Russland hat ein ausgezeichnetes Beispiel von einem Zustand gegeben in dem der Privatbesitz an Produktionsmittel in der Industrie aufgehoben ist, während die Arbeiter doch Lohnarbeiter geblieben sind. Es ist darum in der Rätebewegung von zwei Seiten der Versuch unternommen mit einem klaren, konkreten Programm voor die Massen zu treten, so dass wir sagen können: Hier habt ihr unsere Auffassungen vom Kommunismus. Und so müssen wir es durchführen. Der eine wurde von der AAUE (Frankfurt) unternommen, durch die Herausgabe der Schrift “Vom Manifest zum Gesetz”. Der andere versuch ging von der “Gruppe der internationalen Kommunisten (Holland)” aus, die ihre Ansicht in den “Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Distribution” klarlegte.
Bis jetzt haben diese Versuche noch zu keiner einheitlichen Auffassung geführt. Aber doch steht die Rätebewegung in Hinsicht auf die Durchführung der sozialen Revolution günstiger dar als die IWW weil die Rätebewegung Raum lässt für die Entfaltung der Selbstaktivität der Massen, während die IWW sie in ihren organisatorischen Apparat pressen will. Dies muss natürlich mit einen Fiasko enden. Worauf es ankommt ist, diese psychische Kräfte zu ordnen, zu richten und ihnen die gleiche Richtung zu geben. Diese Ordnung ist aber nicht in erster Linie eine organisatorische Angelegenheit, sonder ökonomischer Art. Diese Ordnung kommt zustande durch die Einführung allgemeiner Regeln für die Produktion, wonach die Arbeiter die Betriebe selbstständig leiten und verwalten können. Damit nehmen alle Arbeiter unter gleichen ökonomischen Bedingungen am Betriebsleben Teil und werden dadurch zu gleichen Produzenten. Zugleich muss die Rätebewegung allgemeine Regeln für die Konsumtion geben, d.h. sie muss die Arbeitszeit als Massstab für den individuellen Konsum durchführen. Dadurch nehmen dann all unter den gleichen Bedingungen am Konsum teil, d.h. die Arbeiter sind auch gleich als Konsumenten.
Auf dieser Grundlage können die Arbeiter selbständig die Betriebe verwalten und sind dann frei Produzenten, während die Verbindungen, die die Betriebe untereinander schaffen zu der “Association der freien und gleichen Produzenten” führt.
Nachschrift
Genossen der IWW und der AAUD.
Aus der obigen Artikelserie ist ersichtlich, dass die Gruppen der Internationale Kommunisten (Holland) der Ansicht sind, dass die Auffassungen der IWW und der AAUD in Bezug auf die soziale Revolution derart auseinander gehen, dass von einer organisatorischen Verschmelzung keine Rede sein kann. Doch wenn wir auch in unseren Grundauffassungen auseinander gehen, so sind wir doch keine Feinde. darum sind wir im augenblicklichen Stadium angewiesen auf ein “getrenntes marschieren” und um gemeinsam zu handeln wo dies möglich ist. Die Praxis des internationalen Klassenkampfes muss die Bildung der Einheit bringen.
Quelle: Pressedienst der Internationalen Kommunisten Holland, April 1931
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