Das amerikanische Attentat auf Soleimani, den Spitzengeneral der gefürchteten iranischen Revolutionären Garde, hat die Welt großen Kriegen näher gebracht. Den Unruhen und Proteste im Libanon, im Irak, und in der zweiten Novemberhälfte im Iran, haben Kriegshandlungen Platz gemacht. Die frühere Protestbewegung fand inmitten des Energiezentrums der Welt statt, inmitten zunehmender militärischer Spannungen, versteckter und offener Kriege in Syrien, im Jemen, am Persischen Golf und etwas weiter, dem Krieg um die Vorherrschaft über Libyens Ölreichtum. Mit dem Überspringen der Unruhen im Irak auf den Iran ergab sich die Möglichkeit, dass der Kampf im Iran wieder von der Straße auf die Betriebe übergehen würde. Auf diese Weise würden die Arbeiter die Spitze übernehmen, so wie sie es Ende 2018 getan haben. Die Arbeiter können dem Kampf das geben, was derzeit fehlt, eine Organisation. Eine Kampforganisation, die von den Kämpfenden selbst geführt wird, indem über ihren Kampf in Massenversammlungen im Betrieb oder auf der Straße entschieden wird, indem Delegierte in Komitees und einen Arbeiterrat gewählt werden, wie in der Zuckerrohrfabrik Haft Tapeh.
Als die Proteste den Iran erreichten, ließen die wachsenden Spannungen des interimperialistischen Krieges im Nahen Osten nach. Nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien, nach der Suche nach einem anderen Boss durch die Söldner der kurdischen YPG, nach der Umgruppierung der USA in Nordsyrien zur „Verteidigung“ der Ölfelder, drohte eine reale Gefahr von Konfrontationen zwischen russischen und türkischen Truppen. Die Türkei ist immer noch Teil der NATO, so dass sich Amerika in einen solchen Konflikt einmischen kann. All diese Spannungen zwischen größeren und kleineren imperialistischen Mächten nahmen während der Unruhen im Iran ab. Alle Imperialisten, von China und Russland – die neue Achse, die nachdem sie Syrien fest integriert hat, nun mehr und mehr den Iran in sich aufnimmt – bis hin zum gegenübergestellten Allianz, der USA, Saudi-Arabien und Israel, sowie die Türkei und Europa, die sich noch nicht entschieden haben, welchen Weg sie gehen wollen, alle hielten den Atem an für das, was sich zu einem neuen Februar und Oktober 1917 (russische Revolution), einem neuen November 1918 (deutsche Revolution) entwickeln könnte, der den imperialistischen Krieg beenden würde. Nachdem die Gefahr für das Kapital vorüber war, begann mit der Wiederaufnahme der Bombardierung von Idlib eine neue Phase in diesen zunehmend zerstörerischen imperialistischen Konfrontationen.
DIE UMWANDLUNG EINES DROHENDEN BÜRGERKRIEGES IN EINEN INTER-IMPERIALISTISCHEN KRIEG?
Nach Russlands Teilnahme an Bombenangriffen auf die letzte Hochburg des nun völlig eingedämmten und militarisierten ‚Widerstands‘ gegen Assad von Syrien war es für Trump an der Zeit, seine Stärke zu zeigen. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen kann Trump es sich nicht leisten, seinen Wählern gegenüber als „schwach“ zu erscheinen angesichts der kleinen Stossstiche, die der Iran gegen die amerikanischen Verbündeten in der Region verteilt: saudiarabische Ölanlagen werden von Drohnen angriffen, Aktionen gegen Öltanker im Persischen Golf, Angriffe auf Militärbasen im Irak. Schließlich war die iranisch inspirierte Erstürmung der amerikanischen Botschaft in Bagdad am Silvesterabend der letzte Auslöser. Trump wurde an die Erniedrigung erinnert, die die USA während der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 erlitten haben, was Carter seine Wiederwahl als Präsident der USA kostete. Im Gegensatz zu früheren US-Aktionen gegen den Iran entschied sich Trump – aus rein innenpolitischen Gründen – diesmal für einen großen Schritt und eliminierte einen Spitzengeneral. Und das, obwohl jeder weiß, dass das Ayatollah-Regime im Iran einen öffentlichen Gesichtsverlust nicht über sich ergehen lassen kann und seinerseits einen schweren Schlag ausführen muss. Die USA sahen einen Grund, entgegen den Wahlversprechen von Trumps mehr Bodentruppen in den Irak zu schicken. Und das nicht zum ersten Mal. Als sich die US-Truppen vor dem türkischen Vorstoß von kurdischem Gebiet zurückzogen, kehrten sie nicht nach Hause zurück, sondern gruppierten sich um die Ölfelder in Nordsyrien. Hinter diesem wankelmütigen Verhalten des Präsidenten verbirgt sich der wachsende Einfluss von Habichten und Soldaten in seiner Regierung, die Vorboten eines neuen und größeren Krieges sind.
Aber in diesem Fall betrifft es nicht nur ein weiterer Schritt im imperialistischen Krieg. Der Erzfeind des Imperialismus, das internationale Proletariat, oder zumindest die Angst davor, spielte ebenfalls eine Rolle. Der Moment des Angriffs auf Soleimani ist äußerst lehrreich, nämlich während die Protestbewegungen der „Bevölkerung“ im Libanon, Irak und Iran sich in einer Sackgasse befinden, weil es keine Perspektive für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung gibt. Wie bei den Protestbewegungen in Südamerika beschränkten sich die Proteste im Nahen Osten politisch auf die Forderung ‚anderer Personen‘ in der Regierung, auf ein anderes Wahlsystem, auf einen Wechsel des Regierungssystems, im Iran auf den Sturz des Ayatollah-Regimes. Ob die Protestierenden sich dessen bewusst sind oder nicht, es bedeutet die Erhaltung des bürgerlichen Staates und insbesondere seines repressiven Kerns, der Armee und der Geheimdienste. Also eine Wiederholung genau dessen, was 1978 geschah, als mit Zustimmung der Armee und der Geheimdienste das Schah-Regime durch das Ayatollah-Regime ersetzt wurde und die Mullahs die Arbeiter entwaffneten. Ein Sturz des Regimes, 1978 wie auch jetzt, ist jedoch nicht möglich, ohne dass streikende Arbeiter die Ölindustrie von innen lähmen, und nicht von außen wie die Blockaden im Irak, die mit militärischen Mitteln beseitigt werden können, ohne die Anlagen zu zerstören. Dies erklärt, warum vor allem links-bürgerliche iranische Oppositionsgruppen, die alle nur einen Regimewechsel anstreben, zu Streiks zum Sturz des Regimes aufriefen.
Vergeblich, die Arbeiter im Iran bewegten sich nicht wie 2018, trotz einiger Gerüchte, die sich nicht bestätigten, und sicherlich nicht in viel größerem Umfang als 2018. Damit verschwand auch die Perspektive, die eine Bewegung der Arbeiter in den Betrieben den Straßenprotesten hätte geben können, die einer Gesellschaft ohne Kapital, ohne Staat, ohne Krieg. Die Unruhen im Iran wurden brutal niedergeschlagen (man spricht jetzt von 1.500 Toten). Damit drehten sich die Machtverhältnisse zwischen Proletariat und Kapital um und die Bourgeoisie verlor ihre Angst. Sowohl Amerika als auch Russland haben verstanden, dass die imperialistischen Kriege wieder aufgenommen werden können, sobald die Gefahr von Massenarbeiterkämpfen vorbei ist. Die Protestbewegungen des „Volkes“ könnten nun weiter im falschen Antiimperialismus des irakischen Nationalismus auf der einen Seite und des iranischen Nationalismus auf der anderen Seite der Grenze ertrinken, die sich beide mit viel Getöse hauptsächlich gegen den amerikanischen Imperialismus richten. Unterdessen gelingt es dem sich um Russland und China bildenden imperialistischen Block zunehmend, den Iran an sich selbst zu binden. Was zu einem Bürgerkrieg zwischen der Arbeiterklasse im Mittleren Osten einerseits und allen Staaten andererseits zu werden drohte, droht nun zu einem weiteren interimperialistischen Krieg auf dem Boden des geschwächten und instabilen Irak und der Besetzung der reichen Ölquellen dort zu werden.
ZWEI SZENARIEN FÜR DEN IMPERIALISTISCHEN KRIEG
Die weithin angekündigte Eskalation zwischen dem Iran und Amerika findet zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht statt. Einer der Gründe ist, dass noch nicht sicher ist, wie die jungen Arbeitslosen im Irak und im Iran auf die veränderte Situation reagieren werden. Bislang ist darüber nichts bekannt, außer dass die Demonstranten im Irak – genau wie dem zuvor verachteten Parlament – den Abzug aller ausländischen Truppen fordern, ein Ziel, das nur durch eine Arbeiterrevolution erreicht werden kann.
Inzwischen hat der Iran mit einem Raketenangriff von eigenen Boden – der nur nur geringen materiellen Schäden zubrachte – gezeigt, dass er seine alte sowjetische Flügellahmen Luftwaffe kompensiert hat mit Präzisionsraketen, die mit Hilfe von Nordkorea und China entwickelt wurden.
Vielleicht wird der Konflikt zwischen den USA und dem Iran kurzfristig wie gewohnt weitergehen. Eine spektakuläre Luftaktion der USA dient dazu, ihren Kontrollverlust am Boden in der Region zu verschleiern. Währenddessen versucht Amerika, die Kontrolle zu behalten, indem es regionale Mächte in der Region durch Überlegenheit in der Luft und mit unterschiedlichen Allianzen gegeneinander ausspielt. Auf lange Sicht ist jedoch der Niedergang der USA als Weltwirtschaftsmacht gegenüber China und der Aufstieg eines chinesisch-russischen imperialistischen Blocks für die USA nicht akzeptabel. Russland-China seinerseits kann ebenfalls keinen wirtschaftlichen und militärischen Niedergang akzeptieren. So lauert hinter jedem lokalen Konflikt, solange aufkommenden Arbeiterkämpfe den Kriegstrend nicht stoppen, die Gefahr eines Dritten Weltkrieges zwischen dem, was von einem amerikanischen Block übrig bleibt und einem chinesisch-russischen Block.
WAS IST DER KAMPF FÜR DEN „FRIEDEN“, GEGEN DEN „AGGRESSOR“?
Wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg versucht jedes der beiden Kriegslager, ihren Kampf als „Friedensmission“, gerichtet gegen den „Aggressor“, als „Selbstverteidigung“ darzustellen. In der Realität des imperialistischen Krieges gibt es aber keinen Unterschied zwischen „Angriff“ und „Verteidigung“, und der „Frieden“ bereitet den nächsten Krieg vor und der Krieg den nächsten „Frieden“. Wiederum schließen sich linksbürgerliche Gruppen und Parteien dem an, was in Wirklichkeit Kriegskampagnen sind. Mit Demonstrationen versuchen sie, Druck auf die Regierung im eigenen Land auszuüben, um eine andere, meist mehr anti-amerikanische Außenpolitik zu betreiben, während sie über der chinesisch-russischen Achse schweigen. Wie üblich tun die Trotzkisten dies mit mehr oder weniger heuchlerischen Parolen gegen die „autoritären Führer“ des Iran oder gegen „das iranische Regime“ und beschränken sich damit wie die Straßenproteste auf das Ziel eines Regimewechsels unter Aufrechterhaltung des Staates.
Der Abzug der amerikanischen Bodentruppen aus dem Irak passt in ein Szenario, das – wie wir oben gesehen haben – die Amerikaner bisher angewandt haben, weil es ihre Überlegenheit in der Luft nicht beeinträchtigt. Der Iran wird jedoch seine schiitischen Milizen nicht leicht aus dem Irak abziehen, weil er damit seine imperialistischen Ambitionen aufgeben würde. Die Tendenz zu einem Dritten Weltkrieg kann nur durch die konsequente Fortsetzung der Kämpfe der Arbeiterklasse in allen Ländern zur Verteidigung ihres Lebenslage gegen die Folgen des imperialistischen Krieges und der Wirtschaftskrise gestoppt werden. In diesem Kampf kann die Arbeiterklasse das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital zu ihrem Vorteil verändern, ihre eigene Kampforganisation aus betrieblichen und Straßen-Generalversammlungen, aus gewählten und wiederwählbaren Komitees und Räten aufbauen und schließlich die repressiven Organe des Staates zerschlagen, wie es im Oktober 1917 in Russland, dem Beginn des Endes des Ersten Weltkrieges, geschah.
DIE VON DEN FOLGEN VON KRISE UND KRIEG BETROFFENE ARBEITERKLASSE
Es ist jetzt klar, dass die kapitalistische Wirtschaftskrise, die 2008 eine weltweite Rezession verursacht hat, wieder auftaucht. Zunächst einmal sind die nationale Kapitale betroffen, die hauptsächlich als Rohstofflieferanten existieren: Russland, die Öl- und Gasexportländer im Nahen Osten und Nordafrika, Brasilien, Chile und die Lieferanten von billigen Arbeitskräften, China und Indien. Jetzt sind auch Europa und Nordamerika an der Reihe, mit Autofabriken und Stahl an der Spitze. Seit 2008 haben die Zentralbanken mehr Geld in die stagnierende Weltwirtschaft gepumpt als je zuvor. Diese „Medizin“ scheint nun den leidenden Patienten noch kränker gemacht zu haben, Banken und Staaten stehen wieder am Rande des Zusammenbruchs.
Wo kann das Kapital noch Rettung finden? In allen Ländern bedeutet es mehr vom Gleichen: Kürzungen im Gesundheitswesen, in der Altenpflege, in der Jugendfürsorge, in der Bildung, Kürzung verschiedener Leistungen, insbesondere für ältere Menschen und bei den Renten. Für die Erwerbstätigen (immer weniger, wenn man mehr als 1 Stunde pro Woche arbeitet, zählt man nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik) immer mehr prekäre Verträge, niedrigere Löhne (im Vergleich zu den Preisen) und immer mehr Stress. Die vom Staat auf diese Weise eingesparten Milliarden Euro und Dollar fließen über die sogenannte Stimulierung einer „grünen Wirtschaft“ und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben in das Großkapital.
Gegen das Gerede von „Friedensmissionen“ sprechen die Fakten: Die Antwort des Kapitals auf die Krise seiner Wirtschaft ist die Verschärfung von Ausbeutung und Unterdrückung, Handelskrieg und immer mehr imperialistische Kriege zur Kontrolle von Energieressourcen, Rohstoffen, Märkten. Kein Land kann ohne diese imperialistische Politik. In der gegenwärtigen Weltlage entsteht das Bild eines zerbröckelnder und relativ rückläufiger amerikanischer imperialistischer Block und im Gegensatz dazu ein russisch-chinesischer imperialistischer Block in Entstehung.
Der Kampf der Arbeiterklasse aller Länder gegen die Folgen von Krisen und Kriegen kann nur konsequent geführt werden:
- mit der Vereinheitlichung des Kampfes für die Verteidigung des Lebens über die Grenzen von Arbeitenden und Nichtarbeitenden, von Betrieben und Branchen, von unterschiedlichen Arbeitsverträgen, Sprache, Lebensphilosophie, Geschlecht und Nationalität hinweg.
- gegen jede Sabotage der Klasseneinheit durch bürgerliche politische Parteien und Gewerkschaften.
- durch eine eigene selbstständige Kampforganisation von Aktionskomitees, Hauptversammlungen in Betrieben und auf der Straße, gewählten und wiedergewählten Komitees und Arbeiterräten.
- gegen alle Staaten, gegen den Imperialismus der großen Staaten, einerseits die USA, andererseits China und Russland, gegen alle regionalen imperialistischen Mächte wie Iran, Syrien und Irak auf der einen Seite, Saudi-Arabien und Israel auf der anderen Seite, gegen die mittelgroßen Imperialismen, die an den Blöcken zweifeln oder sie wechseln, wie die Türkei, die EU als Ganzes, die kleineren Imperialismen wie b.v. Italien und Frankreich gegeneinander in Libyen und schließlich auch gegen Gründerstaaten wie Katalonien, ISIS/Daesh und „Nichtstaaten“ wie den Söldnerlieferanten „Rojava“ (nicht erschöpfende Liste, Allianzen können sich ändern).
- an die Proletarier in Uniform: wendet eure Waffen gegen unsere Ausbeuter und Unterdrücker, die die junge Generation in immer neue imperialistische Konflikte jagen.
- kein Vertrauen, dass eine rebellische Armeeeinheit oder irgendeine Art von Miliz die Arbeiter vor Repressionen schützen wird; allgemeine Bewaffnung der Arbeiter.
F.C. 10. Januar 2020
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