Die Bundestagswahlen in Deutschland nähern sich. Dabei wird von vielen befürchtet, daß die rechtspopulistische AfD viele Stimmen gewinnen wird (nach Vorhersagen: 9-10%). Die AfD wird als das ‚größere Übel‘ gesehen, weil sie als Sammelbecken von Flüchtlingshaß , Xenophobie und Neonazismus funktioniert.
Manche Linken sehen Übereinkünfte mit den dreißiger Jahren, als Faschismus und National-Sozialismus in Italien, Deutschland und Spanien an die Staatsmacht gelangten. Sollte man daher nicht das ‚kleinere Übel‘ wählen? Entweder CDU, SPD, Grüne oder Die Linke? Schließlich stehe ja die Demokratie auf dem Spiel?
Demgegenüber können wir als Rätekommunisten nicht indifferent bleiben, auch wenn wir uns nicht an Wahlen beteiligen. Nicht direkt, als parlamentarische Partei, aber auch nicht indirekt, durch Wahlvorschläge oder gar Vorschläge zur Wahlenthaltung (wie letzteres in einer vor-revolutionärer Situation in der Vergangenheit überaus der Fall war).

Gleicht die heutige Situation in Deutschland die der dreißiger Jahren? Damals wurde die politische Situation von Strassenschlachten zwischen Stalinisten und Nazis beherrscht, nachdem die Sozialdemokratie die revolutionäre Kämpfe 1918-1923 niedergeschlagen hatte in Nahmen der parlamentarischen ‚Demokratie‘. Allerdings hat die Arbeiterklasse jetzt keine blutige Niederlage erlitten.
So wie in den dreißiger Jahren, leben wir seit 2008 inmitten einer ungelösten weltweiten Wirtschaftskrise, die in kurzer Zeit wieder in voller Schärfe in Massenentlassungen zum Vorschein kommen kann. Auch drohen Kriege, wie die an den Grenzen Russlands, im Mittleren Osten und Afrika, sich nach Europa auszubreiten, und das nicht nur in der Form von den heutigen terroristische Anschlägen gegen die Zivilbevölkerung. Die imperialistischen Spannungen zwischen den USA und China als aufkommende Weltmacht, können sich an Konfliktherden wie Korea in einem großen Krieg entfachen (Trump versus Kim: keine reelle Kriegsdrohung?).
Die Arbeiterklasse in ganz Europa und Nordamerika ist seit Jahrzehnten Opfer einer neoliberalen Politik von mehreren und unterschiedlichen Regierungen (rechten wie linken!) die – mit Hilfe der Gewerkschaften – Löhne gesenkt, Arbeitsbedingungen erschwert, an Sozialversicherungen und sozialen Dienstleistungen gespart haben. Damit ist die Arbeiterklasse hinter die Resultate ihrer Kämpfe der sechziger und siebziger Jahre zurückgetrieben worden.
Betroffen von Entlassungen und Arbeitslosigkeit werden arbeitslosen von erwerbstätigen Arbeitern isoliert. Die erwerbstätigen Arbeiter fallen auseinander in jene mit festen Verträgen und diese mit befristeten Verträgen. Genau wie in den dreißiger Jahren bieten 2017 alle Wahlprogramme ausschließlich nationale oder EU-Lösungen, die nur zu weiterer Unterwerfung der Arbeiterklasse und letztendlich zu Krieg führen können. Sowohl damals wie heute kann nur ein internationaler Kampf der Arbeiterklasse das globale Kapital brechen.
Nicht im Stande zu begreifen, daß dieser Rückgang vom Kapital und seinen rechten und linken Verteidigern verursacht worden ist, sind die Arbeiter gespalten durch Fremdenfeindlichkeit, und werden ideologisch beherrscht von Nationalismus, beeinflußt von den nationalen ‘Lösungen’, die sowohl die Linken (von SPD bis Die Linke) wie die Rechten als ‚Alternativen‘ für die globale Krise des Kapitalismus vorschlagen.
Ebensowenig verstehen die Arbeiter, daß die zunehmenden Kriege die wirklichen Alternative des krisenhaften Kapitalismus sind. In der Fernsehe-“Debatte“ bemühten sowohl Merkel wie Schulz sich Flüchtlingsströme nicht als Resultat der imperialistischen Kriege und der kapitalistischen Krise dar zu stellen, die jetzt die Welt im Griff haben, sondern als ein vom Staat durch Migrationspolitik lösbares Problem.
Schließlich verstehen die Arbeiter überhaupt nicht, daß sie die revolutionäre Klasse bilden können, die im Weltmaßstab den Kapitalismus umstürzen kann um eine wahrhaft menschliche Gesellschaft zu gestalten. Das heißt, solange die Arbeiter nicht massenhaft zu ihrem tagtäglichem Kampf für eigenen Interessen zurückgefunden haben.
Zu den heutigen Wahlen erinnern wir an folgende Lehren der Geschichte, die der Rätekommunismus der KAPD und GIK gezogen hat:
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Seit 1914 ist die Epoche der bürgerlichen Revolution und der Verbesserungen der Lage der Arbeiter auf dem Weg der Volksvertretung und der Bündnisse mit ‚fortschrittlichen’ bürgerlichen Kräften endgültig vorbei.
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Fortsetzung der bürgerlichen Demokratie oder Übergang zur offenen diktatorischen Machtausübung durch das Kapital wird niemals an der Wahlurne beschlossen, sondern in engen Kreisen der Bourgeoisie. Darin waren immer die vorherige blutige Niederlage der Arbeiterklasse und die Irreführung ihrer Kämpfe in einen Kampf zur Verteidigung der Demokratie durch die Sozialdemokraten, Stalinisten und Anarchisten entscheidend (sowohl im Italien der zwanziger Jahren, wie in Deutschland und Spanien in den dreißiger Jahren). Heute ist es nicht soweit.
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Alle bürgerliche politische Richtungen sind zu blutiger Unterdrückung von Arbeiterkämpfen, zur Repression der Bevölkerung, zu Beteiligung an imperialistischen Kriegen, zu Rassismus und Massenmord fähig.
Die Arbeiterklasse kann sich diese Lehren nicht durch irgendeine Bildungsarbeit von Berufsrevolutionären zu eigen machen, sondern nur in ihrem selbstständigen Kampf für klasseneigene Interessen. Als Teil dieses tagtäglichen Kampfes sollen die bewußtesten Elemente sich vorerst organisieren in Gruppen auf der Grundlage von gemeinsamen Positionen die der internen und zwischenorganisatorischen Diskussion nicht aus dem Wege gehen.

Welche Parteien auch an der neuen Bundesregierung teilnehmen, nach den Wahlen, kann man erwarten daß die heutigen unhaltbaren monetären Eingriffe um die Krise abzuhalten, schnell abgebaut werden. Arbeitende wie Erwerbslose, Rentner, Schüler und Studenten werden von der Regierung und Unternehmern angegriffen werden, wobei die Gewerkschaften und die bürgerlichen ‚Linken‘ versuchen werden alle Äußerungen von proletarischen Verteidigungskämpfen organisatorisch einzukapseln und abzulenken in Richtung Tarifverträge und bürgerliche Politik. Die Arbeiter die sich davon nicht irreführen lassen, wartet staatliche Repression, ständig ausgebaut unter dem Vorwand der terroristischen Anschläge und letztlich der Krawalle in Hamburg (sehe Zu den Protesten und Krawallen anläßlich des G-20 Gipfels in Hamburg vom 7-8 Juli und ‘Linksunten’: Manchmal schlauer als die Polizei erlaubt POST). Diese Repression – so zeigen die USA unter Trump – kann nach Bedarf ergänzt werden durch Gewalttaten von Nazis, die bekanntlich von den Geheimdiensten und dem Militär gehütet werden. Damit würde ein Szenario von Straßenschlachten drohen, daß die deutsche herrschende Klasse wie keine andere beherrscht.
Fredo Corco, 6. September 2017
Dieser Artikel darf mit Quellenangabe übernommen werden: http://arbeiterstimmen.wordpress.com
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